Rückert – Baumgartner – Schieferdecker | 19.01.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Pianotrios gibt es viele im Jazz. Pianotrios, die Standards spielen, ebenso. Und so ist es eigentlich gar nicht so überraschend, dass wieder mal eines zu hören ist im Birdland Jazzclub in Neuburgs Altstadt. Das an diesem Abend hat nicht mal einen eigenen Titel, sondern ist lediglich mit den Namen der Musiker überschrieben. Thomas Rückert am Flügel, Markus Schieferdecker am Kontrabass und Peter Baumgärtner am Schlagzeug, wobei letzterer der Bandchef ist.

Unter dem bezeichnenden Titel „My Choice“ hat jener aus der Fülle des Angebots neun Standards für eine gemeinsame CD ausgewählt, die beim Konzert im Birdland vorgestellt wird. Damit hätte es sich auch schon fast, fiele dieses Trio nicht ziemlich aus dem Rahmen. Nicht so sehr, was das Repertoire des Abends angeht, um so deutlicher allerdings hinsichtlich der Herangehensweise. Das Trio interpretiert seine Vorlagen in federleichten Versionen, lässt sie immer wieder auf Samtpfoten durchs Birdland-Gewölbe schleichen, erzeugt eine Atmosphäre des Schwebens. Die Absicht ist klar. Das Publikum soll im Optimalfall sich einfach hinweg tragen lassen von den verführerischen Läufen und den sanften Beats, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren, aber mit verführerischer Leichtigkeit. Und der Optimalfall tritt ein, wird am heftigsten beklatscht bei der hingehauchten Version von „Somewhere“ aus der West Side Story, dem Stück des Abends, das am meisten ans Herz und unter die Haut geht.

Jede Nummer erzählt nicht nur seine eigene, sondern auch eine Band-Geschichte. „Alice in Wonderland“ beispielsweise. „Ich mag Musicals ja nicht so besonders, aber dieses Stück liebe ich“, sagt Baumgärtner. Oder Van Heusen’s „Darn That Dream“, das man ziemlich oft hört, wenn es um Standards geht. Aber nicht mit vier verschiedenen Taktarten in ein und derselben Version. Kommentar dazu: „Wir wollten das einfach mal probieren, weil’s Spaß macht. Wenn’s gelingt, um so besser.“ Was es natürlich tut. Wie auch „Soul Tender“ von Keith Jarrett und „Here There And Everywhere“ vom Revolver-Album der Beatles und Ellington’s „Isfahan“. Man kann sich in diese Stücke wunderbar versenken und wenn sie zu Ende sind, kehrt man mit dem Schlussakord zurück von einer imaginären Reise. Wobei bei Standards freilich immer die Gefahr besteht, dass sie in Schablonen verfallen. Was auch Baumgärtner weiß. „Wir spielen jetzt ‚Invitation’“, sagt er. „Das ist ein Stück, um das man immer wieder neu kämpfen muss. Was aber gut ist, damit Routine erst gar nicht aufkommt.“

Das Konzert mit Rückert, Schieferdecker und Baumgartner gehört zur Birdland-Reihe „Art Of Piano“, weil der clubeigene Bösendorfer-Flügel dabei im Mittelpunkt steht und mit ihm an diesem Abend natürlich auch Thomas Rückert, der zusammen mit Lee Konitz schon im Birdland gastiert hat und die Verhältnisse vor Ort gut kennt. Es sei eine große Ehre für ihn und die Band, in diesem berühmten Club hier spielen zu dürfen, sagt er zu Beginn des Abends. Und bedankt sich gleich anschließend zusammen mit seinen Kollegen Clubchef Manfred Rehm und dem Publikum auf seine Art mit zwei wunderbaren Stunden Mainstream-Jazz, die nachhallen, obwohl oder gerade weil sie so viel Intimität verströmten.