Nice Brazil & Group | 01.06.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Nie war die Imagination von Sommer, Sonne und Strand, von den schwebenden, federleichten Sambas Brasiliens passender als diesmal.

Während es am Samstag in Neuburg draußen pausenlos regnet und das Wasser der Donau immer weiter steigt, versucht Nice Brazil drinnen im Birdland, mit nur wenigen Takten die dunklen Wolken zu vertreiben. Es ist das Finale einer aufregenden, abwechslungsreichen, grandios besuchten, für viele schlicht besten Saison, die der Neuburger Jazzclub im Laufe seines 66-jährigen Bestehens je erlebt hat. Und selbst wenn parallel dazu im Fernsehen ein anderes Finale, nämlich das der Champions League, läuft, ist der Keller unter der Hofapotheke – natürlich – wieder einmal voll besetzt.

Mag sein, dass deshalb bei manchem der Eindruck entsteht, dies sei mittlerweile irgendwie selbstverständlich. Aber selbst das Beispiel der seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland lebenden brasilianischen Sängerin führt einem vor Augen, dass es im Birdland spätestens seit dem Neustart nach der Corona-Pandemie für jede Spielart des Jazz, sei es nun fluffiger Swing, spritziger Bosso, introvertiertes Pianotrio, grooviger Fusion oder experimentelle Avantgarde, ein eigenes, fachkundiges Publikum gibt, dass sich seine Konzerte ganz bewusst aussucht und diese dann auch in der unvergleichlichen Atmosphäre der Katakomben in der Neuburger Altstadt in vollen Zügen genießt. Dass bei der aus São Paulo stammenden Vokalistin mit dem Kraushaar vor allem die Generation Ü 55 den Weg in den Jazzkeller gefunden hat, überrascht deshalb niemanden. Die Menschen goutieren die Geschenke, die ihnen Nice Brazil und ihre kongenialen Mitstreiter Joel Lochner am Kontrabass, Dirik Schiltgen am Schlagzeug und Ricardo Fiuza am Bösendorfer Flügel offerieren, mit mehr als nur Wohlwollen, obwohl die vier auf der Bühne keine musikalischen Wunder vollbringen. Die Frau mit dem Mikrofon interpretiert charmant die leichtfüßig swingenden Kompositionen aus eigener Feder wie Minhas Raízes“ oder Cover-Songs der klassischen Bossa-Literatur wie João Gilbertos „Pra Que Discutier Com Madame“ (Mit dieser Dame muss man nicht diskutieren), „Artigo de Luxo“ oder „Se Queres Saber“, tänzelt zwischen den Extremen hin und her – mal temperamentvoll, mal leise, mal meditativ, an der Grenze zum Hauchen, zur Stille. Natürlich intoniert Nice Brazil nichts anderes als die Seele brasilianischer Musik, und sie tut dies gut. Aber sie ist keine strahlende Vokalistin, keine kapriziöse Diva, die den gesamten Raum einnimmt, sondern eine gut gelaunte Frau, die ihr Repertoire mit all der in über drei Jahrzehnten erworbenen Routine lebt. Vielleicht hätte man sich zum Abschluss dieses eindrucksvollen Spieljahres etwas mehr Feuer, eine klingende Prise Tabasco wünschen können. So jedoch plätschert das Konzert etwas gleichförmig dahin – wie der Regen, der draußen pausenlos die Mauern der Altstadt hinuntertröpfelt.

Der Höhepunkt kommt ausgerechnet zum Schluss, bei dem Nice Brazil das dankbare Publikum einfach den Part eines vielstimmigen Chores beim Gassenhauer „Garota de Ipanema“ übernehmen lässt, das die meisten vor allem als „Girl From Impanema“ kennen. Als der Hofapothekenkeller beseelt den Refrain mitsingt, spürt man noch einmal die Magie dieses Raumes, bei dem sich dann selbst ein solider, keinesfalls überragender Abend noch dank der anwesenden Jazz-Afficionados zu einem Ereignis mit Langzeitwirkung entwickeln kann. Auf ein Neues im September!

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