Michel Portal – Roberto Negro | 16.11.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Funken fliegen und die Luft brennt. Es scheint, als sei die Atmosphäre im Birdland elektrisch aufgeladen. Das grenzt fast an ein Wunder, denn Michel Portal und Roberto Negro stehen an diesem Abend überhaupt erst zum dritten Mal gemeinsam mit diesem Projekt auf einer Bühne.

Sie verstehen sich nicht blind, das wäre nach so kurzer Zeit schlicht nicht möglich, selbst bei solchen Könnern nicht. Dafür kann man ganz genau beobachten, wie sich die beiden mimisch, gestisch und geistig austauschen. Man kann die Intensität des Augenblicks fast mit Händen greifen, man wird mitgerissen vom Gedanken- und Ideenflug, der dort auf der Bühne offensichtlich stattfindet. Michael Portal und seine Bassklarinette sind eine Offenbarung. Er fackelt nicht lange und legt mit Leidenschaft und ständigem Hunger nach dem Neuen los. Sobald das Thema einer Komposition abgehakt ist, geht in fast schon beängstigender Weise die Post ab. Der Mann wird in diesem Monat immerhin 84 Jahre alt, ist quicklebendig und sprüht nur so vor Einfallsreichtum.

Mit Roberto Negro hat er aber auch einen idealen, duo-erprobten Sparringspartner. Im Sommer noch war jener zusammen mit dem Teufelsgeiger Théo Ceccaldi unterwegs, nun stellt er seine Fähigkeiten Monsieur Portal zur Verfügung. Der Mann groovt wie die Hölle, in anderem Zusammenhang würde man sagen, er spiele „funky“. Wuchtig donnert seine linke Hand auf die ganz tiefen Tasten, während er mit der rechten Figuren zaubert, die Portal sofort übernimmt, umspielt, verfremdet und wieder an den ihren Ausgangspunkt zurückschickt. In einem Fort geht es hin und her. In der Sprache des Fußballs würde man den beiden konstatieren, sie hätten ihren Gegner schwindelig gespielt. Wobei es natürlich im Birdland keine Gegner gibt, sondern vielmehr ein geradezu hingerissenes Publikum.

Duos sind ja gemeinhin etwas ganz Besonderes. Nirgends sonst ist die Herausforderung an die Musiker so groß wie in diesem Format. Das Ganze ist also durchaus ein Wagnis. Umso mehr, als dies ja erst das dritte Konzert in dieser Form ist. Bereits ab der zweiten Nummer jedoch ist klar, dass die die Sache optimal laufen wird. Von Anfang an zeigt das Auditorium eine Begeisterung, die auf die Musiker überspringt. Immer befreiter spielen die beiden auf, immer waghalsiger und lustbetonter werden die Abläufe und gegen Ende sind sie richtiggehend ausgelassen, leisten sie sich ein Kabinettstückchen nach dem anderen.

Das Konzert mit Portal und Negro ist das fünfte im Rahmen des vom BR komplett mitgeschnittenen „9. Birdland Radio Festivals“ und man sollte es wegen all der unterschiedlichen Konzepte und Spielformen, die man bislang erleben konnte, tunlichst nicht mit den vieren vergleichen, die bereits stattgefunden haben. Eines aber ist offensichtlich: Michel Portal und Roberto Negro waren hervorragend. Mehr noch: Sie waren geradezu sensationell.