Auftritt Joe Haider: Ein großer Herr im schwarzen Anzug, mit Stock und schwarzem Hut schreitet durch den Birdland Jazzkeller und wuchtet sich auf die Bühne. Er legt den Stock zur Seite, setzt sich an den Flügel. Und man hat das Gefühl, dass Joe Haider in diesem Moment um 50 Jahre jünger wird. Dann wäre diese Jazz-Legende 38, also ungefähr im Alter seiner sechs jungen Mitstreiter und Mitstreiterinnen, die etwas nach ihm die Bühne betreten und allesamt seine Enkel oder Enkelinnen sein könnten.
Was der Altmeister Haider, sein Bassist Lorenz Beyerler, der Schlagzeuger Claudio Strüby, Vincent Millioud und Sebastian Lötscher (Violine), Francesca Verga (Viola) und Valentina Velkova (Cello) an diesem Abend zu bieten haben, kann man nur grandios nennen. Die sieben Akteure, eigentlich zwei nicht unbedingt für einander geschaffene Besetzungen (Jazz-Trio und Streichquartett), musizieren in einer umwerfenden Sensibilität, blitzgescheit aufeinander bezogen.
Die Klangfarben aller Instrumente vereinen sich zu einem leichten, frischen, oft betörenden Sound. In den besten Momenten, und davon gibt es viele, spielt da ein Septett der edlen Art. Auch wenn es in der an Varianten reichen Jazzmusik ein Septett dieser Instrumentierung vielleicht gar nicht gibt. Dann musste man es eben erfinden.
Die Seele dieses Klangs ist Joe Haider. Was er da am Flügel veranstaltet, mit einem unnachahmlich gefühlvollen Anschlag, ohne Kraftaufwand, aber mit einer inneren Stärke und in keiner Passage irgendwie dominant – das ist einfach zum Genießen. Für die Zuhörer und vor allem auch für Haider selbst. Der 88-Jährige Wahl-Schweizer scheint nach dem Motto zu musizieren: Ich danke dem Jazz-Gott, dass ich in meinem Alter noch so Stücke spielen kann und dass ich das mit so wunderbaren jungen Musikern tun darf. Wie lange es noch so geht, weiß ich nicht. Also kosten jetzt diese zwei Stunden Musik heiter und fröhlich aus.
Und niemand lässt den alten Herrn da irgendwie hängen. Der Bassist mit dem feinen Fingerspitzengefühl spielt jeden Ton mit Herz und Verstand, aus der Schlagzeug-Ecke kommen elegante, oft fast melodiöse Klänge, die Streicher müssen niemandem beweisen, dass sie auch Teufelsgeiger, wilde Bratschistin oder Cello-Virtuosin draufhaben. Alle sieben verstehen sich als Musiker, auch als Musikanten im besten Sinn des Wortes, die nicht dazu da sind, selbst groß rauszukommen. Sondern um gemeinsam möglichst gute Musik zu erschaffen.
Das gelingt in eher lyrisch geprägten Nummern („In grandfathers garden“, „Josepha in Palermo“) ebenso wie in rasanten Ritten („Keep it hot“), in Balladen oder im Blues. Immer wieder blitzen improvisatorischen Einfälle am Flügel, auf der Violine oder am Kontrabass auf, jeder Titel entwickelt so seinen vollen Charme. Herrlich, wie die Streichinstrumente Mini-Cluster aus schrägen Harmonien ineinanderfließen lassen – ein toller Kontrast zu den Eskapaden von Flügel, Schlagzeug und Bass.
Und hinreißend, wie gleich darauf träumerische, feine Kantilenen den Raum erfüllen. Die Ballade „Rosalies dream“, ein berührendes Stück über Glück, Unglück und die am Ende doch ganz erträgliche Leichtigkeit des Seins macht aus dem Kontrabass ein zartes Melodieinstrument und aus dem Schlagzeug einen Erzähler zerbrechlicher Träume. Und auch die anderen lassen es an feinen Überraschungen nicht fehlen.
Es könnte sein, dass die laufende Tournee, die aktuelle CD, Joe Haiders letzte wird. Mal sehen, vielleicht ist der Jazz-Gott großzügig und genehmigt noch ein paar Ehrenrunden.