Am Schluss des Konzerts wirkt die Zugabe, diese wunderschöne Fassung des Ellington-Klassikers „In A Sentimental Mood“, fast wie eine Heimkehr in vertraute Gefilde, das entspannte Ende eines musikalischen Tripps nach zwei Stunden mit doch ziemlich eigenwilligem Modern Jazz, während derer einem immer wieder Schlagworte wie „Reduktion“ oder Floskeln wie „Weniger ist manchmal mehr“ durch den Kopf gehen.
Der Abend beginnt damit, dass der Tenorsaxofonist Jason Seizer die beiden Trio-Alben, auf denen er sich mit Filmmusiken beschäftigt hat – nämlich „Cinema Paradiso“ von 2015 und „Vertigo“ von 2020 – komplett links liegen lässt und statt dessen ausschließlich brandneues Material spielt. Zusammen mit Pablo Held am Piano, der bei anderer Gelegenheit im Birdland schon öfter für Begeisterungsstürme gesorgt hat, mit dem erdverbundenen dänischen Kontrabassisten Jonas Westergaard und mit dem vielseitigen Fabian Arends am Schlagzeug geht es ihm vielmehr um Stücke wie das für seine Enkelin geschriebene „Mathilda“ oder um einen musikalischen Nachruf auf seinen kürzlich verstorbenen Freund, den Pianisten Walter Lang.
Seizer sei „ein Freigeist, ein sperriger Eigenbrötler, der höchste Ansprüche an sich selbst stellt“, hat ein Kollege vermutlich nicht ganz zu Unrecht über ihn geäußert. Das spürt man auch beim Konzert. Das erste Stück aus seiner Feder mit der Bezeichnung „Corrections“ ist schwer zu greifen, Mitte der ersten Hälfte bei einem Blues mit Titel „Shadwos“ tut man sich schon etwas leichter und später, als mit „Jungle Beat“ aus dem „Dschungelbuch“ dann doch noch die einzige Filmadaption des Abends erklingt, hat man sich eingehört, ist man mit an Bord bei diesem Ausflug in den Bereich der Reduzierung, in dem jeder einzelne Ton des Saxofonisten, des Pianisten oder des Kontrabassisten so viel mehr zählt als ein rasantes Solo.
Seizer ist der Guide, der Komponist, und die Kollegen schließen sich ihm an. Keiner ist ein Vielspieler an diesem Abend, keiner gibt auch nur annähernd Vollgas, jeder ist dem Konzept der reduzierten Mittel verpflichtet. Das Birdland-Konzert ist das erste im Rahmen einer kleinen, einwöchigen Tour, aber dennoch gibt es nichts, was erst noch eingeschliffen werden müsste. Die Musiker kooperieren perfekt, dass die Verbindung zum Publikum aber erst in der zweiten Hälfte wirklich zustande kommt, dass es keinerlei Szenenapplaus auf freier Strecke gibt, ist nachvollziehbar. Zum einen deswegen, weil die Soli nicht voneinander abgesetzt sind, sondern ohne deutliche Nahtstellen auseinander hervorgehen. Zum anderen, weil man sich erst einmal zusammenraufen, einhören und einlassen muss auf diese Reise, deren Ziel man zu Beginn noch nicht kennt, man erst erfahren muss, dass man sich am besten am Kontrabass orientiert, weil der für die Erdung der weiten Bögen seiner Kollegen zuständig ist, um dann zu erkennen, dass sich allmählich doch alles rundet. Zuerst mit einer Pablo Held-Komposition zum Ende des regulären Programms, die eine gänzlich andere Handschrift verrät als die Seizer-Stücke vorher, dann mit der erwähnten Zugabe. Das Jason Seizer Quartet? – Keinesfalls Musik für Nebenbei. Im Gegenteil: Wer alle Facetten dieser Stücke ausloten will, ist erst einmal ziemlich intensiv beschäftigt. Aber dafür anschließend auch bereichert.