Harry Allen – Martin Sasse Quartet 2025 | 19.09.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Schon nach den ersten beiden Nummern ahnt man es irgendwie: Diese Band will es an diesem Abend wirklich wissen. Und dieser frühe Eindruck bestätigt sich tatsächlich. Mehr noch als bei früheren Auftritten des Harry Allen-Martin Sasse Quartets scheinen die beiden Bandleader, die zusammen mit dem Kontrabassisten Bastian Weinig und dem Schlagzeuger Joost van Schalk und mit dem Konzert im Neuburger Birdland Jazzclub ziemlich genau die Hälfte ihrer Europa-Tour hinter sich gebracht haben, so richtig Gas geben zu wollen. So hört sich unerbittlich swingender Mainstream-Jazz im Optimalfall also an, wenn vier Herren richtig gut drauf sind und mit ansteckender Spielfreude zu Werke gehen.

Tenorsaxofonist Harry Allen aus New York City, dem das Programmheft „die frappierende Technik eines Stan Getz, den Balladenschmelz eines Lester Young, den Drive von Coleman Hawkins oder das famose Gefühl für Time eines Zoot Sims“ attestiert und der Ben Webster als sein großes Vorbild nennt, agiert mit der souveränen Ästhetik eines Allrounders, der aus dem Erbe der Altvorderen einen eigenen Ton entwickelt hat. „Minor Shift“ und „Spring Is In The Air“ aus seiner eigenen Feder belegen zudem, dass er auch als Komponist einiges zu sagen hat. Wobei sein Kollege, der Kölner Pianist Martin Sasse, der sicherlich zur Creme seines Faches in Europa zählt, mit seinem „European Jazz Meeting“ – welch grandioses Stück Soul Jazz! – und der herrlichen Ballade „Four Lovers“ die hinsichtlich des kollektiven Gedächtnisses derer im Saal wohl nachhaltigsten Kompositionen vorlegt. Seine Soli sind virtuos, mit Zitaten gespickt – wie übrigens auch die wunderschönen Linien des Bassisten Bastian Wienig – verraten Witz und eine an diesem Abend schier unerschöpfliche kreative Kraft. Diese Band ist richtig heiß und das beste Beispiel dafür, dass man auch bekannte Mainstream-Klassiker wie Jerome Kern’s „The Way You Look Tonight“, Wes Montgomry’s „The End Of A Love Affair“ in einer enorm temporeichen Fassung und einen Musical Song wie „If I Where A Bell“ so aufbereiten kann, dass sie in neuem Glanz erstrahlen. Und das, obwohl sie doch in den Setlists so vieler Kollegen immer wieder auftauchen und man als Zuhörer meint, sie bereits in- und auswendig zu kennen. Die Herangehensweise macht den Unterschied aus, die Leidenschaft, und natürlich auch die Tagesform.

„Wir befinden uns jetzt in einer Phase unserer Tour, in der wir optimal eingespielt sind“, sagt Sasse nach dem Konzert. Das ist nicht zu überhören und zu übersehen und wird sicherlich auch das Publikum bei den kommenden Konzerten in Wien, Pisa, Bologna und Verona, wo die Tour am 5. Oktober endet, beeindrucken. Die innige Verbindung, die zwischen Musikern und Publikum an diesem Abend im Birdland zu bestehen scheint, liegt sicherlich an der gemeinsamen tiefen Zuneigung zu den wunderschönen Melodien des swingenden Mainstream der 50-er und 60-er Jahre, aber auch an der Atmosphäre, die entsteht, wenn die Vibes zwischen denen auf und denen vor der Bühne stimmen. Dass das geschieht, kann man nicht wirklich planen. Aber man kann alles dafür tun, diesem Zustand unausgesprochener Übereinstimmung möglichst nahe zu kommen. An diesem ganz besonderen Abend hat es vorzüglich geklappt.