Lisa Wulff Quartet | 18.10.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

In der Nacht sind alle Katzen grau, heißt es. Draußen auf dem Karlsplatz vielleicht schon, wo in dieser Nacht wieder einmal der Übertragungs­wagen des Bayerischen Rundfunks steht, um das dritte Konzert des derzeit laufen­den Birdland Radio Jazz Festivals aufzu­zeichnen, aber ganz sicher nicht drinnen im Neuburger Birdland Jazzclub, wo das Quartett der Bassistin Lisa Wulff ein Konzert gibt, das gerade durch seinen Farbenreichtum und seine klanglichen Schattierungen zu einem ganz besonde­ren wird.

Lisa Wulff war zuletzt im März 2022 mit einer eigenen Formation zu Gast im Birdland. Seither ist einiges passiert. Mit Adrian Hanack (Tenorsaxofon, Klarinet­te, Flöte), Valentin Renner am Schlag­zeug und Frank Chastenier am Klavier hat sie eine neue Band um sich geschart, mit „Poison Ivy“ ein neues Album auf­genommen und mit „MCQ – Multiple Choice Question“, „Cracking Walls“, „On The Rebound“ sowie mit „Hand aufs Herz“ als Uraufführung ihren be­reits bestehenden Kompositionszyklen weitere Stücke hinzugefügt, die es im Rahmen einer kleinen Tour vorzustellen gilt.

Wulff füllt ihre Rolle als Bandleaderin, die die Fäden in der Hand hält, kompe­tent aus, ohne sich in Szene setzen zu müssen. In der Gruppe herrscht Gleich­berechtigung. Nicht einmal Chastenier, der zusammen mit ihr eines der letzten Konzerte mit dem legendären Rolf Kühn im Birdland gegeben hat, bekommt eine Sonderrolle. Auch nicht Adrian Hanack, der Hauptsolist, wird über Gebühr gefea­tured, auch nicht Wulff selbst, nein, das Hauptaugenmerk liegt auf dem kompak­ten Bandgefüge, auf den höchst unter­schiedlichen, farblich schillernden Kom­positionen, die zusammen genommen ei­nen bunten, floristisch passend gestalte­ten und überaus interessanten Strauß er­geben. Kammermusikalisch intim, dann wieder räumlich ausgreifend. Akribisch auskomponiert und sich innerhalb eines akademisch gesetzten Rahmens bewe­gend, dann wieder wie befreit expandie­rend. Schwebend und verträumt, dann wieder kraftvoll zupackend. – Der Va-riantenreichtum ist enorm und wird an diesem Abend zum Markenzeichen der Band an sich. Ständig wechselt das klan­gliche Outfit. Wulff lenkt durch den Ein­satz des elektrisch verstärkten Sopran­basses Stücke wie das überragende „Va­liant“ und das knackige „In My Head“ in Richtung Fusion, tendiert bei der Verto­nung von „Die stille Stunde“ aus Wolf­gang Borcherts „Die Küchenuhr“ ins Ly­rische, spielt bei „Nightmares And Day­dreams“ und bei „The Darker The Night The Brighter The Stars Glow“ mit den Komponenten der Lautstärke und der In­tensität.

Aus genau dieser Vielfalt ergibt sich auch der Grundtenor, das charakteristi­sche Merkmal, das die zwei Sets durch­weht, nämlich die Möglichkeit für Wulff, als Bandleaderin alles auszuprobieren, was ihr vorschwebt, die Lust zu experi­mentieren, ihren Stücken dabei aber stets eine ganz persönliche Note als Kompo­nistin zu verleihen, passende Mitmusiker für deren Umsetzung zu gewinnen und so eine eigene Nische für sich zu finden, in der sich sicherlich auch künftig noch so einiges tun wird.“ – Mit „Then We Listened To The Moon“ entlässt Wulff ihr Publikum schließlich in die Nacht, knipst den Farbenreichtum nach zwei Stunden einfach aus. Jetzt dominieren wieder die Grautöne. Farbenpracht drin­nen, Tristesse draußen. Alles hat seine Zeit.